Unerwartete Herausforderungen und die langfristige Perspektive: Erfolgsstrategien für die Automobilindustrie von morgen

Die COVID-19-Pandemie hat viele Branchen vor große Herausforderungen gestellt, wobei es die Automobilindustrie besonders hart getroffen hat. Zusätzlich sehen sich Hersteller (OEMs) und Zulieferer schon seit Jahren mit einem beispiellosen Wandel konfrontiert, der durch Themen wie Elektrifizierung, Digitalisierung und autonomes Fahren angetrieben wird und sie dazu zwingt, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu ändern.
21. September 2022
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Glücklicherweise vollzieht sich dieser Wandel weitgehend geordnet und ist für die Unternehmen planbar. Da die Gesetzgeber der Europäischen Union bereits im Juni 2022 beschlossen haben, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen, besteht eine hohe Planbarkeit beim Übergang zu Elektrofahrzeugen.¹ Auch wenn das Ende des Verbrennungsmotors für Unternehmen, die z. B. Getriebe oder Einspritzpumpen herstellen, nicht unbedingt erfreulich ist, so ist die Entwicklung doch zumindest vorhersehbar. Obwohl die Fortschritte bei der Digitalisierung und dem autonomen Fahren nicht gleichermaßen mit zeitlich definierten Meilensteinen planbar sind, besteht kein Zweifel daran, dass beide Entwicklungen in der Zukunft eine zentrale Rolle spielen werden.

Der Druck und die sich daraus ergebenen Chancen, die sich durch Aspekte wie der Vermeidung von Emissionen und der zunehmenden Digitalisierung ergeben, haben in der gesamten Automobilindustrie erhebliche Investitionen in den Transformationsprozesse entfacht. De facto wird erwartet, dass die in Deutschland ansässigen Automobilunternehmen bis 2025 insgesamt mehr als EUR 150 Mrd. in die Transformation investieren werden – mehr als in jeder anderen Branche.²

Weniger vorhersehbare Ereignisse führen jedoch zu Problemen auf finanzieller und operativer Ebene, die wiederum andere Herausforderungen nach sich ziehen. Wiederholte pandemiebedingte Schließungen und der Krieg in der Ukraine sind nur zwei Beispiele für schwer vorhersehbare Ereignisse, die die Lieferketten massiv gestört und die Preise für viele wichtige Rohstoffe in die Höhe getrieben haben. Es ist derzeit davon auszugehen, dass die durch geopolitische Ursachen ausgelösten Energiepreisschocks erst der Anfang sind.

Was ist also die beste Strategie für ein Unternehmen, um in einem Umfeld wettbewerbsfähig zu sein, dass sich schnell verändert und zunehmend unvorhersehbarer wird? Zunächst gilt es, nicht in Panik zu verfallen und zielgerichtet und strukturiert Maßnahmen zu ergreifen. In einem zweiten Schritt geht es darum, einen belastbaren Plan zur Kapitalerhaltung und zum Liquiditätsmanagement auszuarbeiten. Im dritten Schritt sollte ein szenariobasierter Ansatz verfolgt werden, ohne dabei die langfristige Unternehmensausrichtung aus dem Blick zu verlieren.

Die Pandemie und die geopolitischen Entwicklungen haben sich für viele Unternehmen als unerwartete und in den meisten Fällen unerwünschte Belastungsprobe erwiesen. Der damit verbundene sprunghafte Anstieg der Rohstoffpreise, die Unterbrechungen in den Lieferketten (die zu höheren Lagerbeständen führten) und die zunehmende Zahl von Zahlungsverzügen resultieren bei vielen Zulieferern in Liquiditätsengpässen. Auch wenn dank der staatlichen Hilfen in Deutschland eine Katastrophe während der Pandemie abgewendet werden konnte, bleibt die Liquiditätslage in vielen Unternehmen angespannt.

Liquiditätssicherung und Kapitalerhaltung sind natürlich grundsätzlich wichtig, doch könnte ein kurzfristig ausgerichteter Denkansatz bei der Erreichung dieser Ziele angesichts der ungewissen Zukunft und des ständigen Wandels die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen gefährden. Kurzfristig können Strategien zur Liquiditätssicherung, wie z. B. der Abbau von Lagerbeständen, die Lieferketten weiter schwächen und die Finanzlage langfristig negativ beeinflussen. Daher kann eine mittel- und langfristige Ausrichtung mit szenarioorientierten Analysen dazu beitragen, eine solidere Finanzierungsstruktur zu schaffen und eine dauerhaft tragfähige Verschuldung sicherzustellen.

Und natürlich dürfen Unternehmen nicht zulassen, dass unvorhergesehene operative Herausforderungen die langfristigen Ziele der Transformation gefährden. Es ist wichtig, die Auswirkungen aktueller Trends stets zu verfolgen und dabei die langfristige Ausrichtung im Blick zu behalten, sodass das Unternehmen rechtzeitig Gegenmaßnahmen zur Eindämmung potenzieller operativer Risiken ergreifen kann.

Vor der Pandemie hatten die führenden Unternehmen in der Automobilindustrie das klare Ziel vor Augen, dem Wandel, der sich in der Branche vollzieht, stets einen Schritt voraus zu sein. COVID-19 und der Ukrainekrieg sowie die damit einhergehenden Entwicklungen haben die Unternehmen vor verschiedene finanzielle und operative Herausforderungen gestellt. Die Unternehmen dürfen jedoch nicht zulassen, dass sie durch diese Herausforderungen vom strategischen Transformationsprozess abweichen. Natürlich muss auf kurzfristige Anforderungen reagiert werden, jedoch nicht ohne einen durchdachten langfristigen Plan, wie sich künftige Herausforderungen erfolgreich meistern lassen.

Fußnoten:

¹: „EU gets landmark deal to phase out combustion engine by 2035“, Bloomberg.com, 28. Juni 2022, .

²: VDA-Analyse, Mai 2021.

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