Warum deutsche Unternehmen sich jetzt auf die nächste Herausforderung auf dem Energiemarkt vorbereiten sollten

Trotz der düsteren Vorhersagen konnte Deutschland im letzten Winter durch radikale Veränderung der Gasimporte und deutliche Reduktion des Energieverbrauchs (nicht zuletzt in Folge des milden Winters) eine Energiekrise vermeiden. Entsprechend waren Energiepreise in den letzten Monaten stark rückläufig. Unternehmen sollten sich aber auch für diesen Winter auf die Möglichkeit starker Preisanstiege vorbereiten und mit einer entsprechenden Planung beginnen.
17. Oktober 2023
  • Neue Insights

Als Reaktion auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine und die gedrosselten Gasimporte aus Russland schossen die Gaspreise in Europa und weltweit in die Höhe. Im Juli 2022 verpflichteten sich die EU-Mitgliedsstaaten daher, ihren Erdgasverbrauch um 15 Prozent zu reduzieren und sich so unabhängiger von russischen Lieferungen zu machen.¹ In den letzten Jahren vor der aktuellen Krise bezog Deutschland mehr als die Hälfte seines Gasbedarfs aus Russland. Deutschland befand sich daher in einer besonders herausfordernden Lage: das verknappte Angebot hat das Szenario von Versorgungsengpässen im Winter 2022/23 erwarten lassen.

Nachdem Gasimporte über russische Pipelines infolge der Explosionen an der Nord Stream Pipeline im September 2022 zum Erliegen kamen, ging im Januar 2023 das erste neue schwimmende LNG-Importterminal in Betrieb. Deutschland hat sich dadurch einen Zugang zu globalen LNG-Märkten eröffnet.²´³ Gleichzeitig hat ein milder Winter die Energienachfrage gedämpft, sodass Energiepreise wieder deutlich gesunken sind. Das Schlimmste konnte daher im Winter 2022/23 verhindert werden.

Für die Zukunft sollten sich Deutschland und seine EndverbraucherInnen jedoch nicht auf weitere milde Winter verlassen. Niedrige Temperaturen und späte Kälteeinbrüche (bei möglicherweise bereits niedrigen Gasspeicherständen) könnten erheblichen Druck auf die Gas- und Strommärkte ausüben und die Preise nach oben treiben.

Vorbereitung mit ganzheitlichem Ansatz

Mit der weiter voranschreitenden Umstellung der Stromerzeugung in Deutschland (und Europa) auf Wind- und Sonnenenergie wird die Energieversorgung jedoch auch insgesamt anfälliger für ungünstige Witterungseinflüsse. Die wiederkehrenden Dürren und extremen Hitzeperioden in Europa, vor allem im Süden und die damit einhergehenden niedrigen Flusspegel haben zudem aufgezeigt, dass das Wetter auch der Stromerzeugung aus Wasserkraft, Steinkohle und (in geringerem Ausmaße) auch Kernenergie Grenzen setzen kann.⁴

Aus der Unberechenbarkeit des Wetters und der weiterhin angespannten Gasversorgungslage ergibt sich daher der Bedarf zum planvollen Management von Energiebezug und -einsatz in Unternehmen.

Für die Geschäftsführung heißt es daher bereits jetzt, aktiv zu werden. Auch wenn der Winter gefühlt noch in weiter Ferne liegt, werden Führungskräfte, die frühzeitig Strategien für die kalte Jahreszeit entwickeln, ihr Unternehmen flexibler und widerstandsfähiger für den Ernstfall aufstellen. Der Schlüssel liegt in einer ganzheitlichen Vorbereitung: Das Management muss genau wissen, wie Risiken reduziert werden können, über solide Kenntnisse der finanziellen Situation des Unternehmens verfügen und einen klaren Plan für die Kommunikation mit Kapitalgebern, Banken, MitarbeiterInnen und Kunden haben, wenn die Preise wieder steigen.

Risiken eines Angebotsschocks mindern

Ein guter Startpunkt für Unternehmen ist die Durchführung einer Szenarioanalyse, die die potenziellen Auswirkungen des angespannten Energiemarktes auf den Geschäftsbetrieb untersucht. Führungskräfte müssen dabei nicht nur den Einfluss aktueller Angebotsschocks auf ihr Unternehmen verstehen, sondern auch langfristiger denken. Dies umso mehr mit Hinblick auf die von der der Bundesregierung beschleunigte Energiewende, die in den nächsten Jahrzehnten eine komplette Umstellung des Energiemarkts von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien vorsieht.⁵

Vor allem energieintensive Branchen sollten daher die langfristige Beschaffung im Blick haben. Dies gilt insbesondere für die Bedingungen von Strom- und Gaslieferverträgen mit Laufzeiten von mehr als einem Jahr. In solchen Fällen kann es ratsam sein, einen Stromabnahmevertrag („PPA“) direkt mit einem Betreiber von EE-Anlagen (Wind oder Solarkraft) abzuschließen, um sich so einerseits gegen Preiserhöhungen abzusichern und gleichzeitig seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

Beurteilung der finanziellen Situation

Je nach der aktuellen finanziellen Lage sollten Unternehmen, die von hohen Energiepreisen potenziell besonders stark betroffen sind, gleich mehrere Optionen prüfen. Hierzu zählt beispielsweise die vorübergehende Verlagerung von Geschäftstätigkeiten an Standorte außerhalb Europas, um wettbewerbsfähige Preise sicherzustellen und sich weiter auf dem Markt behaupten zu können. Bei Unternehmen, die gesetzlich zur Senkung des Energieverbrauchs oder Erhöhung der Energieeffizienz verpflichtet sind, wären zusätzliche Investitionen und mittel- bis langfristige Planungen erforderlich. Da weitere staatliche Maßnahmen wie mögliche subventionierte Strompreise noch offen sind, ist es wichtig, die Entwicklungen in den kommenden Monaten genau im Auge zu behalten.

Angeschlagene Unternehmen, deren Kapitalausstattung oder Liquidität unter den steigenden Energiekosten leidet, könnten eine Restrukturierung in Erwägung ziehen – eine drastische Maßnahme zwar, doch sie kann zu nachhaltigen Lösungen führen.

Kommunikation mit Stakeholdern

Für alle Unternehmen heutzutage gilt: Transparenz ist das Fundament einer soliden Kommunikation, denn sie schafft Vertrauen. Unternehmen können die neuen energiewirtschaftlichen Herausforderungen besser angehen, wenn sie ihre Pläne wie die oben genannten Maßnahmen allen Stakeholdern gegenüber – Belegschaft, Kunden, Banken und anderen Geldgebern – klar artikulieren. Ein erster Schritt ist hierbei, frühzeitig und offen mit den Kunden über Preiserhöhungen und Kostendeckung zu sprechen.

Eine entscheidende Aufgabe kommt der Führungsebene zu: Klare Prioritäten festlegen und ihre Teams befähigen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Um als Unternehmen insgesamt die eigene Resilienz zu stärken bedarf es Führungspersonen, die selbst resilient sind und in der Lage, mit Unklarheiten und Unsicherheiten umgehen zu können. In der komplexen, unberechenbaren Energielandschaft von heute müssen ManagerInnen zügig handeln und schnelle Entscheidungen treffen.

Wie in einem Artikel von Bloomberg News⁶ berichtet wurde, warnte der deutsche Energiekonzern E.ON im Mai, dass die Turbulenzen an den europäischen Energiemärkten noch nicht vorüber seien und sich die Situation zukünftig verschlechtern könne. Weiter hieß es: „Analysten haben davor gewarnt, dass ein plötzlicher Nachfrageanstieg und ein verstärkter Wettbewerb um Lieferungen aus Asien die Volatilität im Markt wieder anfachen könnten.“

Ein Faktor, der ebenfalls zur Marktvolatilität beiträgt, blieb im Artikel allerdings unerwähnt: das Wetter.

Fußnoten:

¹: „Mitgliedstaaten verpflichten sich, den Gasverbrauch im nächsten Winter um 15 % zu reduzieren.“ Europäischer Rat, 26. Juli 2022.

²: Nichols, Michelle. „Germany Tells UN: Nord Stream Inquiry Found Subsea Explosive Traces on Yacht.“ Reuters, 11. Juli 2023.

³: Russell, Clyde. „Column: Global LNG Volumes Hit Record High as Europe Crowds out Poorer Asia.“ Reuters, 12. Januar 2023.

⁴: Horowitz, Jason. „Heat and Drought in Europe Strain Energy Supply.“ The New York Times, 18. August 2022.

⁵: „Energiewende – World Nuclear Association“, n.d.

⁶: Fokuhl, Josefine. „Energy Crunch Looms in Europe as Crisis Not over, EON Warns.“ Bloomberg.com, 10. Mai 2023.

Ihr Kontakt