Konsumgüter-Hersteller unter Druck

Kleinere Unternehmen, die auf schnelllebige Konsumgüter spezialisiert sind, stehen nach COVID-19 und der Konsumkrise vor noch nie dagewesenen Herausforderungen. Welche Möglichkeiten haben sie, um ihre Existenz zu sichern?
19. September 2023
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Die Konjunkturlage in Europa bleibt vor dem Hintergrund hoher Energiekosten, geopolitischer Konflikte und anhaltend hoher Inflation unsicher. Die Konsequenzen zeigen sich bereits: Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU rutschte im Mai 2023 offiziell in eine Rezession.¹ Eine schnelle Erholung zeichnet sich nicht ab.²

VerbraucherInnen in Deutschland konsumieren bereits seit Beginn des Ukraine-Kriegs gezielter und weniger („Trading-down-Effekt“). In Folge gewannen Aktionsware und Handelsmarken sowie Discounter zuletzt kontinuierlich Marktanteile.³ Diese Verschiebungen im Kaufverhalten beeinträchtigen das Wirtschaftswachstum Deutschlands und Europas negativ.

Von den Auswirkungen sind viele Wirtschaftszweige betroffen, aber insbesondere mittelständische Produzenten von Konsumgütern. Einige Unternehmen beliefern große Einzelhandelsketten mit Verbrauchsgütern („FMCG“), wie etwa verarbeitete Lebensmittel und Papierwaren, die teils energieintensiv produziert werden. Andere Unternehmen liefern Gebrauchsgüter („Durables“) wie Fahrräder und Möbel. Viele dieser Produzenten, häufig unabhängige Einzelbetriebe, befinden sich in einer prekären Lage: Einerseits agieren KonsumentInnen zunehmend zurückhaltend und preisbewusst, andererseits wären weitere Preissteigerungen zur Sicherung der Profitabilität und Liquidität notwendig.

Deutsche VerbraucherInnen greifen aktuell vermehrt auf Eigenmarken der Händler zurück – zulasten der Herstellermarken. Eigenmarken machen mittlerweile 41 Prozent des Verbrauchsgüter-Umsatzes in Deutschland aus.⁴ Das entspricht einem Anstieg gegenüber 39 Prozent im Jahr 2022 und 35 Prozent im Jahr 2021.⁵.⁶

Auch die Produzenten von Eigenmarken bekommen den Druck zu spüren: Sie haben langfristige Verträge mit großen Einzelhandelsketten, sind dabei allerdings meist an feste Preiszusagen gebunden – selbst dann, wenn die Produktionskosten ansteigen. Darüber hinaus erzielen Eigenmarken in der Regel geringere Margen als Herstellermarken im unteren Preissegment. Dies schränkt den finanziellen Spielraum der Produzenten stark ein.

Eine Landschaft im Wandel

Ähnlich wie die Produzenten sieht sich auch der Einzelhandel mit Margendruck konfrontiert. Einzelhändler haben die Möglichkeit, der Unsicherheit entgegenzuwirken, indem sie Maßnahmen wie Lagerabbau, Sortimentsbereinigungen oder Preisanpassungen ergreifen. Große Einzelhändler (u.a. bei Lebensmitteln) sind hierbei vorteilhaft positioniert, da sie ihre Verhandlungsstärke gegenüber Produzenten und KonsumentInnen ausspielen können. Einige entscheiden sich sogar für eine vertikale Integration in attraktiven Segmenten.

So befinden sich Produzenten in einer schwierigen Situation und haben im Vergleich zu großen Einzelhandelsketten weniger Handlungsspielraum. Die langfristigen Veränderungen im Einkaufsverhalten der deutschen VerbraucherInnen bereiten vielen zusätzliche Sorgen, da sie ihre geschäftliche Existenz bedrohen könnten.

Um die eigene Zukunft aktiv zu gestalten, ist die Sicherung der Liquidität und Optimierung des Geschäftsmodells von entscheidender Bedeutung. Die Maßnahmen lassen sich in zwei Phasen unterteilen: kurzfristige und mittelfristige Lösungen.

Kurzfristig: Im Fokus dieser Maßnahmen steht die Liquiditätssicherung angesichts der außergewöhnlichen Konjunkturlage:

  • Cash Management: Durch eine aktive Liquiditätssteuerung können Produzenten einer möglichen Zahlungsunfähigkeit bei sinkenden Umsätzen, gestörten Lieferketten und steigenden Rohstoffkosten entgegenwirken. Um effektive Maßnahmen zu entwickeln, ist es wichtig, den gesamten Cash-Status des Unternehmens zu ermitteln, ein zuverlässiges Monitoring einzurichten und kurzfristige Liquiditätsprognosen zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Auf dieser Grundlage können Unternehmen mehr Spielraum für ihr operatives Geschäft schaffen, Liquiditätsreserven aufbauen und einen belastbaren Liquiditäts-Forecast etablieren.
  • Working-Capital-Optimierung: Unternehmen mit verbesserter Liquidität sind besser dafür gewappnet, akute Rückschläge zu bewältigen. Produzenten sollten die Working-Capital-Optimierung ganzheitlich betrachten und dabei alle Aspekte einbeziehen: vom Forderungs- und Verbindlichkeitsmanagement bis zur Optimierung der Lagerbestände. Dieser Ansatz setzt – richtig angewendet – nicht nur gebundenes Kapital frei, sondern führt auch zu Kosteneinsparungen, gesteigerter Produktivität der MitarbeiterInnen und effizienteren Prozessen.
  • Finanziererkommunikation: Unternehmensfinanzierungen sind vielfältig und komplex – von Refinanzierungen und Investitionsfinanzierungen über die Optimierung der Finanzierungsstruktur bis zur kurzfristigen Sicherung der Liquidität. Finanzierer benötigen regelmäßig belastbare Informationen, um das Vertrauen in die finanzielle Stabilität des Unternehmens zu schaffen und erhalten. Aus diesem Grund sollten Produzenten jederzeit transparente, entscheidungsrelevante Informationen für alle Stakeholder bereitstellen.

Mittelfristig: Diese Maßnahmen zielen darauf auf, die operativen Prozesse zu verbessern und das Geschäftsmodell widerstandsfähiger zu gestalten. Dabei steht die Integration von Kundenbedürfnissen, Kernkompetenzen und Ressourcen im Fokus – zudem sollten ESG-Aspekte berücksichtigt werden.

  • Portfolio-Überprüfung: Durch eine deckungsbeitragsorientierte Betrachtung der angebotenen Artikel können Produzenten Portfolios optimieren.
  • Operative Konsolidierung: Bei der Überprüfung des operativen Geschäfts sollten Produzenten Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen ermitteln, wie etwa die Zusammenlegung von Geschäftsbereichen oder die Schließung weniger rentabler Produktionsstandorte.

Darüber hinaus können Produzenten eine Übernahme in Betracht ziehen. Das Management sollte sich der rechtlichen und finanziellen Komplexität, die mit dieser Option einhergeht, bewusst sein und überlegen, wie das Unternehmen am besten für einen Verkauf positioniert werden kann.

Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen können sich Produzenten besser positionieren, um die aktuellen Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Mit der Anpassung des Geschäftsmodells und Effizienzsteigerungen sind sie zudem für den nachhaltigen Erfolg aufgestellt.

Footnotes:

¹: „ .“ CNN. 25. Mai 2023. „”. Statistisches Bundesamt. 25. Mai 2023.

²: „”. Handelsblatt. 5. April 2023.

³: „“. Reuters. 6. Juni 2023.

⁴: „“. Circana. 16. Mai 2023.

⁵: „“. Food Navigator Europe. 7. November 2022.

⁶: „“. IRI. 11. Mai 2022.

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