Bei welchen Marktteilnehmern der Branche sehen Sie aktuell besonders hohen Handlungsbedarf?
Anlagenbauer im Wind- und Solarbereich sind seit rund zwei Jahren zunehmend durch steigende Rohstoff- und Frachtkosten sowie Störungen in den globalen Lieferketten margenseitig unter Druck geraten. Zudem durchläuft die Windenergie aktuell eine ähnliche Entwicklung wie die Solarindustrie vor rund zehn Jahren: Produktionen in Deutschland werden zunehmend geschlossen, nur wenige verbleiben in Europa. Damit steigt die Anfälligkeit von Lieferkettenstörungen. Auch potenzielle nachteilige Währungsentwicklungen zum US-Dollar werden künftig stärker auf die Profitabilität wirken.
Was können diese Unternehmen aktuell tun, um diese Herausforderungen zu managen?
Langjährige Branchenentwicklungen und -modalitäten werden nicht und insbesondere nicht durch einzelne Teilnehmer grundlegend veränderbar sein – entsprechend geht es darum, die Gegebenheiten bestmöglich zumindest temporär zu managen. Die Grundvoraussetzung stellt die Schaffung von Transparenz dar, um bestehende Risiken richtig einschätzen und quantifizieren sowie geeignete Gegenmaßnahmen ableiten zu können. Aufgrund der derzeitigen hohen Unsicherheit empfehlen wir auch die Erstellung von Szenarioanalysen. Für diese sollten konkrete Notfallpläne erarbeitet werden, um handlungsfähig zu bleiben. Zudem ermöglicht dies die Ableitung finanzieller Effekte und des damit verbundenen möglichen Finanzierungsbedarfs – dieser kann so frühzeitig gesichert werden. Grundsätzlich empfehlen wir den Unternehmen, ihr Geschäft risikoärmer im Vergleich zu Unternehmen anderer Branchen zu steuern sowie ein gewisses Liquiditätspolster und damit verbunden zuverlässige Finanzierungspartner aufzubauen. Zudem ist es auch sehr wichtig, Investitionen in Technologien von morgen sicherstellen zu können. Dies ist nur möglich, wenn eine belastbare Liquiditätsplanung erarbeitet wurde.
Welche Chancen sehen Sie für die Marktteilnehmer im Bereich der erneuerbaren Energien in der nahen Zukunft?
Die Erwartungen der Branche sind hoch: Politische Ziele von Klimaneutralität bis zur Unabhängigkeit von russischen Energieimporten treiben die Notwendigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien und setzen die Politik unter Druck, passende Rahmenbedingungen zu entwickeln. Ziel muss es sein, den wirtschaftlich agierenden Marktteilnehmern zu erlauben, nachhaltig profitabel zu sein. Dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wie z.B. der Rohstoffpreissteigerungen kein einfaches Unterfangen. Gut intendierte Mechanismen wie z.B. das 2017 eingeführte Ausschreibungsverfahren haben unbeabsichtigte negative Effekte nach sich gezogen. Unabhängig von den Mechanismen ist es zentral, das Angebot geeigneter Flächen auszuweiten und vor allem Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Dies ermöglicht Projektentwicklungsgesellschaften, ihre Pipelines schnell zu füllen und somit den Grundstein für den konkreten Ausbau legen zu können.